In Zeiten knapper Pflegeplätze übernehmen immer häufiger Angehörige die Pflege der Eltern. Trotz der erheblichen zeitlichen Belastung für die Pflegenden vereinbaren die Beteiligten aber nur selten eine Vergütung für die Pflege. Verstirbt die gepflegte Person, stellt sich die Frage, ob der Aufwand der Pflegenden bei der Verteilung des Erbes berücksichtigt werden muss.
Inhaltsverzeichnis
- Das Wichtigste in Kürze
- Erbschaftsrecht und Ausgleichszahlungen
- Wer hat Anspruch auf ein höheres Erbe?
- Wer kann keine Ausgleichszahlung beanspruchen?
- Wie muss die Pflegezeit nachgewiesen werden?
- Fazit
Das Wichtigste in Kürze
- Ausgleichszahlungen müssen bei der Verteilung des Erbes berücksichtigt und von der Erbmasse abgezogen werden.
- Ausgleichszahlungen aufgrund von Pflegeleistungen stehen nur Abkömmlingen zu, die die Erblassenden in erheblichem Umfang gepflegt haben.
- Die Ausgleichsberechtigten haben den Umfang der Pflegeleistung nachzuweisen, beispielsweise durch ein Pflegetagebuch.
Erbschaftsrecht und Ausgleichszahlungen
Haben die Verstorbenen (Erblassende) keine gewillkürte Erbfolge – beispielsweise durch ein Testament – bestimmt, richtet sich die Verteilung des Erbes nach den gesetzlichen Vorschriften. Hierbei kommt der Rangordnung der Erben und Erbinnen eine besondere Bedeutung zu. Sie wird durch die Nähe des Verwandtschaftsverhältnisses bestimmt. Eine höhere Rangordnung verdrängt den Erbanspruch niedrigerer Rangordnungen. Zwischen den Erben und Erbinnen gleicher Rangordnung wird das Erbe gleichmäßig verteilt.
Eine Besonderheit besteht jedoch in Fällen der sogenannten Ausgleichszahlungen, die bei Vorliegen einer Ausgleichspflicht stets zu beachten sind. Ausgleichspflichten können insbesondere dann entstehen, wenn Angehörige Zuwendungen beispielsweise in Form von Pflegeleistungen erbracht haben. Ausgleichszahlungen werden von der Erbmasse automatisch zum Abzug gebracht. Das heißt, der gesamte Nachlass wird berechnet und die Ausgleichszahlungen werden hiervon abgezogen. Die Ausgleichsberechtigten erhalten die Ausgleichszahlungen und die restliche Erbmasse wird wie gewohnt nach den jeweiligen Erbteilen verteilt.
Wer hat Anspruch auf ein höheres Erbe?
Ausgleichsansprüche infolge von Pflegeleistungen stehen jedoch nur den Ausgleichsberechtigten zu. Hierfür müssen im Wesentlichen vier Voraussetzungen erfüllt sein:
- Bei den Pflegenden muss es sich um Abkömmlinge der Erblassenden handeln, also deren Kinder sowie nichteheliche und adoptierte Kinder. Daneben sind auch Enkelkinder und Urenkelkinder berechtigt.
- Die Pflegenden müssen darüber hinaus gesetzliche Erben oder Erbinnen sein. Haben die Erblassenden eine gewillkürte Erbfolge bestimmt und sind damit von den gesetzlichen Erbregelungen abgewichen, geht der erkennbare Wille der Erblassenden vor. Die Eigenschaft als gesetzliche Erben und Erbinnen schließt zudem auch (Ur-)Enkelkinder von der Ausgleichsberechtigung aus, sofern deren Eltern noch leben. Ihre Eltern erben nämlich nach der gesetzlichen Erbfolge vorrangig.
- Die Pflegeleistung der Pflegenden muss dazu beigetragen haben, das Vermögen der Erblassenden zu erhalten oder zu vermehren. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn durch die Pflege die Inanspruchnahme eines Heimplatzes oder eines Pflegedienstes vermieden werden konnte. Erforderlich ist, dass die Pflegeleistung über übliche Unterstützungsleistungen zwischen Angehörigen hinausgeht und über einen längeren Zeitraum erbracht wurde (mindestens ein Monat).
- Für die Pflegeleistung darf weder eine angemessene Vergütung vereinbart oder sogar bereits gewährt worden sein, noch darf dem Berechtigten ein anderer Anspruch aufgrund der Pflegeleistung zustehen.
Wer kann keine Ausgleichszahlung beanspruchen?
Aufgrund der Beschränkung von Ausgleichszahlungen auf Abkömmlinge sind damit sämtliche anderen Angehörigen von der Berechtigung ausgeschlossen. Das gilt zum einen für die eigenen Eltern und entferntere Verwandte und Freunde, zum anderen aber auch für die Ehepartner und -partnerinnen. Auch wenn Eheleute regelmäßig untereinander umfangreiche Pflegeleistungen erbringen, erhalten sie hierfür im Fall der gesetzlichen Erbfolge keine Ausgleichszahlungen.
Wie muss die Pflegezeit nachgewiesen werden?
Nicht immer haben alle Erbenden davon Kenntnis, ob und wie lange die Abkömmlinge die Erblassenden gepflegt haben. Um Streitigkeiten über den Anspruch zu vermeiden, ist eine umfassende Dokumentation der Pflegeleistungen zu empfehlen. Die Pflegenden sollten zunächst darlegen können, ob überhaupt ein Pflegebedarf bestand. Dies kann beispielsweise über den Nachweis des Pflegegrades der Erblassenden erfolgen. Darüber hinaus muss möglichst detailliert beschrieben werden, welche Pflegeleistungen über welchen Zeitraum und in welchem Umfang ausgeübt wurden. Zum Beweis können zum Beispiel Zeuginnen oder Zeugen benannt oder Aufzeichnungen in einem Pflegetagebuch genutzt werden.
Fazit
Durch Ausgleichszahlungen können Pflegeleistungen von Abkömmlingen bei der Erbverteilung berücksichtigt werden. Damit wird der erhebliche Zeitaufwand und die nicht selten damit einhergehende Berufsaufgabe finanziell entlohnt. Insbesondere die konkrete Berechnung von Ausgleichszahlungen ist allerdings komplex. Insofern empfehlen wir, einen qualifizierten Anwalt für Erbrecht der Schnorrenberg • Oelbermann Anwaltskanzlei zurate zu ziehen.